sexueller Missbrauch

Kindesmissbrauch - nicht wegsehen .... handeln!!!! von Rike / pixelio.de

Genug über sexuellen Missbrauch geredet? NEIN!

Alles FALSE MEMORY ?  – NEIN!

“Die stellen sich doch nur an! und es gibt doch diese falschen Erinnerungen,  false memory, dass alles nur ausgedacht ist – das weiß man ja! Die haben doch nur was gegen Kirche”

Nein, nein und nochmals nein!

Natürlich gibt es falsche Erinnerungen, wie in allen anderen Bereichen auch.
Gerade bei Missbrauch wird dies jedoch überbetont, und so der Missbrauch verharmlost. Diese Ideen verhindern die Täterverfolgung und notwendige Veränderungen. Sie machen Überlebende des Missbrauchs wieder nur zu Opfern und verhindern Heilung.

Missbrauch findet vor allem in geschlossenen Strukturen und in Machtgefällen statt, die u.a. in der katholischen Kirche üblich sind. Ebenso findet Missbrauch in  (Kinder-)heimen, in Sportvereinen und natürlich in autoritären Familien statt.

Solange sich nicht rigide Strukturen ändern und Kritik verboten oder sanktioniert wird,  ist die Gefahr von Missbrauch egal welcher Couleur weiterhin hoch.

x- Täter sind überführt worden, bei Klerikern lag in der sog. MHG Studie von 2018 (nachzulesen bei Wikipedia und bei der deutschen Bischofskonferenz) aus unvollständiger Aktenlage! – der Anteil der nachgewiesenen Missbraucher bei 4,4% bei den Klerikern, die im Schnitt 2,5 Kinder missbraucht haben. Hier wurde “false memory”überwiegend ausgeschlossen, in dem geringen Prozentsatz, wo man diesbezüglich unsicher war, wurde dies benannt.

Zu false memory in Bezug auf sexuellem Missbrauch schreibt das Deutsche Ärzteblatt 2019:
“Eine Übersichtsarbeit (O’Donohue W. Cummings C, Willis B: The frequency of false allegations of child sexual abuse:a critical review. J Child Sex. Abuse 2018 27.459-75) zeigt, dass Studien zur Häufigkeit von falschen Beschuldigungen keine  belastbaren Prävalenzschätzungen erlauben und die weit überwiegende Zahl solcher Beschuldigungen doch der Wahrheit entspricht. (aus: Deutsches Ärzteblatt Jg.116 Heft 22 vom 31. Mai 2019)
Dass viele Fälle nicht an die Öffentlichkeit kamen, lag nicht an der “Einbildung” der Opfer, sondern an der  Scham der Opfer und der Macht der jeweiligen Struktur, z.B. die der katholischen Kirche, die viele Verfahren einstellte, weil sie der Kirche schadeten.

“Missbrauch gibt es instituionell doch nur in der katholischen Kirche”  – NEIN!

Auch in anderen Kirchen und Religionen (Buddhismus, Judentum, Islam) gibt es Missbrauch, je rigoroser und “heiliger” die Strukturen, desto häufiger. Überwiegend reagieren diese Gruppen so wie auch die katholische Kirche zu Beginn der Missbrauchsskandale: Mit Vertuschung und Verleugnung, sowie Druck auf die Opfer.

In der katholischen Kirche selber ist das Thema des sexuellen Missbrauchs alt, sehr alt – neben Volksliedern z.B. War einst ein Kameliter (TextFassung von Zupfgeigenhansel und dem kitschigen, noch sehr verharmlosenden Film “die Dornenvögel” mit Richard Chamberlain aus dem Jahre 1983 gibt es z.B. in der katholische Kirche den Begriff Sollizitation, was die Verführung durch einen Priester im Beichtstuhl bedeutet – der Täter wird vielleicht exkommuniziert, jedoch das Opfer immer, wenn es das Vergehen nicht innerhalb von 4 Wochen anzeigt.

Der Missbrauch ist kein Thema, was wir ignorieren oder hinter uns lassen können. Hier braucht es klare gesetzliche Regelungen.

Die Zeit heilt keine Wunden – was betroffene Menschen tun können

Sexueller Missbrauch, egal wo, ist nur möglich in Strukturen und Systemen, die diesen Missbrauch dulden; sei es in der Familie, in der Schule, in Freizeitvereinen, in Gruppen oder in Kirchen. Täter und Täterinnen machen abhängig, verunsichern, legen Schweigegebote auf, schieben die Schuld auf die Opfer. Und es gibt immer Menschen, die das System mit aufrecht erhalten, aus Angst, aus einem Nicht-Wahrhaben-wollen etc. Dies bewirkt eine Retraumatisierung der Opfer, ein Aufrechterhalten des Missbrauchs. Es braucht Mut, Hinzuschauen  und Hilfe zu holen. Missbrauch passiert immer wieder, auch von netten Menschen, und es ist wichtig, dass Kinder und Erwachsene selbstbewußt Nein sagen können. Und es ist wichtig, etwas zu verändern.

Die Betroffenen dürfen und sollen Hilfe holen und Hilfe erfahren können. Dazu gibt es viele Hilfsangebote und Internetseiten. Wichtig ist mir, dass Opfer auch Überlebende sind – und ihr Leben auch gut meistern können. Nicht die Tatsache, wie sehr Menschen zerbrochen sind, zeigt, wie schlimm die Tat war, sondern die Tat ist schlimm, weil sie schlimm war.

Was tun die Menschen, die nicht selber betroffen sind ….

Menschen, die nicht vom Missbrauch betroffen sind, wissen oft nicht, wie sie mit Betroffenen umgehen können. Viele Menschen sind sprachlos und hilflos, flüchten in: Ich kenne keinen, Missbrauch ist quasi nur innerhalb von katholischer Kirche etc.

Die Zeit heilt keine Wunden – eine Veranstaltungsreihe zum Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche Vortrag von Jörg M. Fegert, Ulm, 19. März 2019 – der Universitätsklinik Ulm  zeigt u.a. die Notwendigkeit für alle, Opferbilder zu korrigieren:
Ich stelle hier die Empfehlungen für “Außenstehende” im Umgang mit Betroffenen kurz dar:
•Keine Bilder bedienen, die die Betroffenen als Opfer darstellen, die ihr Leben lang unter dem Erlebten leiden werden. Betroffene können solche Wertungen vornehmen, Professionelle nicht.
• Mitgefühl
• Stärke und Kompetenzen anerkennen mit denen Betroffene ihr Leben gestalten
• Rechte Betroffener respektieren
• Unterschiedlichen Umgang der Betroffenen mit dem Erlebten anerkennen
• Stigmatisierung aufbrechen
• Angst vor Stigmatisierung kann dazu beitragen, dass Betroffene benötigte Hilfe nicht suchen
• Resilienz ist vor allem Glück (Rahmenbedingungen z.B. Förderung), Anlage und nicht Wahl
• Auch wer gut zurechtkommt kann Schlimmes erlebt haben
– kein Infragestellen der Schwere des Erlebten bei guter und gelingender Bewältigung!
• Hilfe zu brauchen ist keine Schwäche
• Wer Hilfe braucht hat auch Anspruch auf Hilfe – lebenslang
• Es muss nicht irgendwann „mal gut sein“ – sexueller Missbrauch darf Betroffene lebenslang beschäftigen

Geschieht der sexuelle Missbrauch in kirchlichen Strukturen,  beinhaltet er immer auch spirituellen Missbrauch.

Das Vertrauen in sich selbst, in eine Gemeinschaft, in die eigene Spiritualität und Sexualität zu finden und zu gestalten, ist für Betroffene “unglaublich” schwer. Zerstören ist leicht, aufbauen braucht neben vielen Hilfen auch viel, viel Zeit.  Weitere Informationen zum spirituellen Missbrauch sind hier.

Von einer/m Überlebenden zu eineR zu werden, die/der wieder leben kann.

Es gibt mittlerweile viele Veröffentlichungen zu dem Thema des sexuellen Missbrauchs. Uns ist wichtig, nicht nur darüber zu reden, sondern jemanden zu Wort kommen zu lassen, der selbst diesem Missbrauch ausgeliefert war. Der Pastoralreferent Norbert Thewes aus Dülmen lässt uns an seiner Geschichte teilhaben. Er ist auch Mitglied des Betroffenenrates Nord (info@betroffenenrat-nord.de).
Hier folgt seine Einführungspredigt, wo er sich offen mit seinem sexuellen Missbrauch, die Folgen und die Auswirkungen auf seinen Glauben auseinandersetzt. Gott hat nicht weggeschaut.

Hilf, Gott, in unserer Not

Wie oft zerspringt die Seele
in tausend der Erinnerungssplitter
ertrinkt in ihren ungeweinten Tränen
verliert den Boden
fällt und fällt.
Gott, du unbegreiflich, schweigend, unsichtbare Kraft
Man sagt, du seist allmächtig
willst uns stets Gutes, Leben, Liebe
doch wenn das stimmt
dann seh‘ ich’s nicht.
Um mich herum Zerstörung, Missbrauch und Gewalt
du greifst nicht ein
lässt uns allein.

Du siehst sie doch, die blauen Flecken
geschund’ne Körper tief verstecktes Leid
du spürst die angsterstarrten Kinderseelen
verzweifelt wütende Erwachsene du weißt um das bedrohte Leben
in mir und meinem Gegenüber
du hörst die Klagen, Schreie, Bitten
und greifst nicht ein.
Warum, oh Gott?
Ich schau hinaus
weit über mich hinweg
such meinen Weg,
den Ruf, dem ich nun folgen soll
den Menschen, der mir nahe ist
dem ich vertrau, der mich nun braucht

Ich such dich, Gott, du Lebenskraft im
Mensch, im Wind im
Tier, der blühenden Natur im
Tanz und Paukenschlag
in Farbe, Wort und der Musik.
Nein,  ich versteh dich nicht und
trotzdem weiß
ich es genau, ganz tief in mir du
bist im Leben, Sterben,
Freud und Leid
du bist bei mir, ich bin bei dir
© Christiane Lange – Initiative GottesSuche