VATERUNSER IM HIMMEL
ABBA – Vater ist eine Koseform in der Familie. So ist der Beginn des Vaterunsers, was uns hineinnimmt in die Familie Gottes. Das aramäische kann so rückübersetzt werden: Vater unser im Himmel Vater und Mutter des Kosmos, Urgrund der Liebe. (F.X. Jans-Scheidegger) „O Du! Atmendes Leben in allem, Schöpfer(in) des schimmernden Klanges, der uns berührt. O Gebärer(in)! Vater-Mutter des Kosmos, alles, was sich bewegt, erschaffst Du im Licht. Du Strahlende(r): Du scheinst in uns und außerhalb von uns – sogar die Dunkelheit leuchtet, wenn wir uns erinnern“ ( Zitate nach Douglas-Klotz, das Vaterunser S.34) Abba – abwun Zeugend gebärende Liebeskraft kosmische Liebeskraft. Abba ist die Koseform und im alltäglichen Kontext eine liebevolle Anrede Abba, ist die Koseform in familiärem Kontext, = Papa. Es ist aber auch ein Wort, das ggf. auch zu anderen Familienangehörigen gesagt werden konnte. Es drückt eine große liebevolle Vertrautheit und Zugehörigkeit aus. Der Sprechende gehört zur Familie und gehört in alles, was diese Familie ausmacht. Die Anrede Gottes als Abba für uns bedeutet, dass alle Betenden in die Familie hineingenommen sind. Dass die Schöpferkraft so angeredet werden kann, transzendiert heilsam alle unsere Vater- oder Mutterbilder. In dieser Anrede stellt Jesus eine Beziehung her … Gott ist nicht der ferne, unnahbare, sondern wie ein liebevoller Vater, an dem ich mich vertrauensvoll wenden kann. im Himmel: das Bergende, aufleuchtende, schwingende, die Sphäre, das was aufleuchtet und aufsteigt. Auch ein heiliger Ort, der in uns ist aber nichts mit dem Profanen der Welt gemein hat.
GEHEILIGT WERDE DEIN NAME
Wie heilige ich den Namen Gottes? Auch hier fühlen wir uns erst in die Rückübersetzung hinein: Bereite in uns den Raum des Herzens, dass wir Dein Licht und Deinen Klang in Frieden erfahren. (F.X. Jans-Scheidegger)
„Hilf uns, einen heiligen Atemzug zu atmen, bei dem wir nur Dich fühlen – so erschaffen wir in uns einen Schrein, in Ganzheit. Im Frieden lebt der Name, ein eigener innerer Raum, ein Allerheiligstes, offen und Licht spendend für alle. Hilf uns loszulassen, den inneren Raum zu reinigen von geschäftiger Vergesslichkeit, damit der Name leben kann.“ (Zitate nach Douglas-Klotz, Das Vaterunser S. 40) Der Name… so wurde das Wort für Gott , das nicht ausgesprochen werden durfte: JHWH oft genannt. Es stellt mich in eine Beziehung mit Gott: Welchen Namen gebe ich ihm und gehe ich wertschätzend mit diesem Besonderen um. Das Heilige ist auch in unserem Verständnis noch etwas „ausgesondertes“, dem Alltag Enthobenes. So soll etwas freigemacht oder bereitet werden für die Anwesenheit Gottes im Menschen. Ein freier Raum für die Anwesenheit des Heiligen in einem selbst soll entstehen. Alle mantrischen Wege wurzeln in dieser Vorstellung. Welchen Namen habe ich für das Geheimnis? Gehe zu dem Raum in dir, der heilig ist. Wie heilige ich den Namen? Gott ist mein Geheimnis.
DEIN REICH KOMME
Dein Reich komme: wie ist das im aramäischen zu versehen? z.B. so: „Deine Wirklichkeit offenbare sich.“ F.X.Jans-Scheidegger
„Lass deinen Rat unser Leben regieren und unsere Absicht klären für die gemeinsame Schöpfung. Ersehne mit und durch uns die Herrschaft universaler Fruchtbarkeit auf Erden. Deine Herrschaft entsteht plötzlich, wenn unsere Arme sich ausbreiten, um die ganze Schöpfung zu umarmen.“ (Zitate nach Douglas-Klotz, das Vaterunser S. 45) In dem Wort für „kommen“ steckt die Vorstellung von gegenseitigem Verlangen und Willen. Und das Wort für Reich beinhaltet eine Richtung, und eher Ratschlag, nicht Herrschaft. Also eher: die Schöpfung verwirkliche sich, Deine Wirklichkeit gestalte mich.
DEIN WILLE GESCHEHE
Was ist Gottes Wille und wie können wir ihn ergründen? Grundsätzlich: Gottes Wille für mich kann meinem Willen nicht grundsätzlich völlig fremd sein, denn wie sollten wir sonst seinen Willen tun können? Gott will, dass wir Seinen Willen tun, also muss ER/SIE diesen Willen auch für uns sichbar werden lassen.
Beispiel: Gott wird mich nicht fragen: Du hast meinen Willen nicht erfüllt, denn Du bist nicht Cellistin in Asien geworden? In unserer eigenen Tiefe, in unseren Gaben und Möglichkeiten, in unserem tiefen Selbst berühren wir den Willen Gottes, weil wir seine Ebenbilder sind. Aber wie können wir sicher sein, dass das, was wir wahrnehmen, Gottes Wille ist und nicht der Wille anderer, die ja die Schrift besser interpretieren oder meiner Angst oder Geltungssucht entspringt? „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm/ihr“… so heißt es im 1. Johannesbrief und an vielen anderen Stellen in der Bibel. Das wichtigste Gebot ist Gott zu lieben UND den Nächsten WIE SICH SELBST. Dem Willen Gottes entsprechen müsste in folgende Richtung führen: Gottes Liebeskraft in meiner Liebeskraft entdecken, mehr und mehr seiner Liebeskraft zu entsprechen. Gottes Liebeskraft ist der Klang meines Lebens: Wo ist mein Klang auf den Hintergrund dieses Klanges? Wo klingt das JEHOSHUA in mir? (fast alle Vokale) Wir müssen uns verabschieden von der Vorstellung, dass wir Gottes Willen außerhalb unserer selbst finden müssten! Denn dies bewirkt meist nur, auf den Willen von anderen hereinzufallen. Ich bin gewiss: Gott wirkt und ich werde (Luther). Gott ist lebendig in uns, wenn wir uns ihm öffnen. Nur das Heilige hat die Möglichkeit, den Menschen wirklich heil zu machen … Ich kann nicht Gott zwingen, dass er meinen Willen erfüllt, sondern ich erfühle, erahne, erbete Seinen Willen in mir. In welcher Qualität tönt/kommt Gott mir entgegen? Wille heißt im Aramäischen auch „Verlangen“ oder „Herzenswunsch“. Wir können uns dem Willen Gottes vielleicht mit der Übung nähern: was ist das, was ich jetzt in diesem Moment wirklich tun will? Gottes Wille ist nicht abstrakt, fern von unserem Heil-Sein oder über-mächtig. Sein Wille ist meist all-täglich und bezieht sich auf seine/unsere tiefste Sehnsucht
WIE IM HIMMEL SO AUF ERDEN
Ethymologisch kommt Himmel von Hemd: bergend. „Himmel“ ist ein „Teekesselchen“, gemeint ist nicht der blaue Himmel mit den Wolken, gemeint ist nicht das All, sondern der Himmel, das Himmelreich, das „mitten unter uns/ mitten in uns“ gegenwärtig ist.
Die „unsichtbare Welt“ Gottes ist das, was hinter den Dingen oder in den Dingen und Menschen aufleuchtet, und nicht mit den üblichen Sinnen wahrgenommen werden kann. Gott wohnt im Himmel: Gott hat einen Namen, ist uns gegenüber, d.h. kann angesprochen werden im Blick auf die Essens seines Wesens , das führt zu Liebe. Im „Kehrt um“ von Jesus ist diese Dynamik gemeint. Gott will die Urordnung herstellen, die harmonikale Struktur ( J.Keppler) Wir bitten darum, dass Gottes Herzenswunsch in unserem Leben genauso durchgängie Form annimmt wie auf der Ebenen von Klang und Licht. Wie bringt man die unio – mystica – Erfahrung in Einklang mit dem Alltag in Raum und Zeit? Was ist meine Stimme, die ich klingen lassen kann und soll im Klang der Welt? Übersetzungsmöglichkeiten sind also: Dein eines Verlangen wirkt dann in unserem – wie in allem Licht, so in allen Formen – Möge der brennende Wunsch Deines Herzens Himmel und Erde vereinen durch unsere Harmonie Hilf uns zu lieben, wo unsere Ideale enden, und lass Handlungen des Mitgefühls erwachsen für alle Kreaturen. Lass Himmel und Erde eine neue Schöpfung bilden, indem wir Deine Liebe in der unseren entdecken.
UNSER TÄGLICHES BROT GIB UNS HEUTE
Andere Übersetzungen:
Gewähre uns täglich, was wir an Brot und Einsicht brauchen: Das Notwendige für den Ruf des wachsenden Lebens. (Neil Douglas Klotz, Das Vaterunser S. 55)
Brot war im Vorderen Orient heilig.
Es wurde für einen Tag gebacken, und es wurde nicht nur für den eigenen Bedarf gebacken, sondern auch für fremde. Brot ist nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern hieß auch „Lebens-Geber“ und wurde ehrfürchtig behandelt. Das tägliche Brot ist eine Erinnerung an Gottes Gegenwart. Und es wird nicht für morgen und übermorgen gebeten, sondern für heute. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ (Mt.6:33-34). Gott lebt im Alltag, in jedem Tag. Das Wort für Brot – lachma – soll auch die Bedeutung von Einsicht haben – und aus einer Sprachwurzel auch das Wort: hochma – heilige Weisheit, oder auch Wahrheit – Lehre – Verstehen. – Mit dieser Bitte bitten wir sowohl um das irdische, leibhafte wie auch darum, Tag für Tag Einsichten zu haben, dass unsere Weisheit wachsen möge. In den vorigen Bitten soll der Wille Gottes geschehen, Gottes Fülle soll in Raum und Zeit sichtbar werden. Gottes Liebe sollen wir in unserer Liebe entdecken. Dazu brauchen wir Nahrung. Folgerichtig ist deswegen die Bitte: Unser tägliches Brot gib uns heute. Aber damit ist nicht nur die Nahrung für den Körper gemeint, sondern auch für die Seele. Brot und Einsicht und Erkennen. Lächem aram – im hebräischen bedeutet dies beides In allem kann Gott erkannt werden, in allem ist sein Hauch. „Ich bin das lebendige Brot“ Gott erscheint aus der Zeitlosigkeit in die Zeit. Dann kommt die Einsicht, dass wir das Licht der Welt sind (Matthäus 8). Wenn wir um das tägliche Brot bitten, bitten wir um das Notwendige, was wir zum Leben heute brauchen. Gewähre uns das, was jetzt NOT-wendend ist, damit die Urordnung gewahrt /bewahrt bleibt. Und es bedeutet: Mein eigenes Maß entdecken. Unser Maß entdecken. JedeR hat ein anderes Maß an Einsicht. Mit der Freiheit ist uns auch die Verantwortung gegeben. Hier ist der Respekt vor mir und vor den anderen enthalten: Nicht gib mir, das was ich brauche, sondern gib uns – das not-wendende. Diese kleine Bitte erinnert auch an die Werke der Barmherzigkeit – gib uns allen das not-wendende. Nicht meiner Gier, sondern uns.
VERGIB UNS UNSERE SCHULD; WIE AUCH WIR VERGEBEN UNSEREN SCHULDIGERN
Eine Bitte, die uns fordert, und uns fragt. Sie beinhaltet das Alte: was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu – auf eine andere Ebene. Wenn ich andere verurteile – kann ich dann für dieselben Taten, für die ich andere verurteile, Vergebung erlangen?
Soll nicht auch eine Selbstprüfung erfolgen: Wie verhalte ich mich, bin ich da so anders als der/die Andere? Im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums steht die Geschichte vom „Schalksknecht“ (Mt.18,21-35), die dies noch einmal deutlich macht. In dieser Bitte hinterfragen wir unser Verhalten.
Andere Übersetzungen:
„Führe uns aus der Schuld, die an uns haftet, wie auch wir freigeben, was andere an uns schuldig sind“ (Neil Douglas Klotz, Das Vaterunser S. 60)
„Löse die Fesseln unserer Fehler, wie auch wir freigeben, was uns an die Verwicklungen und Schuld der anderen bindet“ (Franz-Xaver Jans-Scheidegger).
Diese Bitten fallen oft in dem: Das heißt ich muss vergeben, auch wenn der andere was Böses getan hat, gemordet, Kinder vergewaltigt etc. Das heißt diese Bitte nicht. Vergebung kann nicht eingeklagt werden. Es geht darum, uns zu hinterfragen, wie wir uns verhalten. Es geht darum, die Missetaten zum Mist zu geben, damit daraus Humus wird und Neues wachsen und Blühen kann. Wie viele Opfer werden selbst zu Tätern, weil sie sich verknoten, diese Verstrickungen nicht lösen. Sie tragen den Täter so auch immer mit sich herum. Franz-Xaver Jans-Scheidegger dazu sinngemäß: Wir haften oft an dem, was uns fehlte, und setzen dann den eigenen Standpunkt absolut. Dabei verbergen wir unseren Mangel. Und bleiben anderen etwas schuldig. Die Rückkehr zur Einheit ist nötig. Vergeben ist entschulden. Schuld ist ein Vergehen, mein Gang ist ver- gangen. Ich stehle dem anderen etwas. Ich anerkenne ihn nicht. Gestohlener Besitz. Matthäusevangelium: ist Schuld: Früchte, die einen schlechten Einfluss auf das Bewusstsein auslösen. Lukasevangelium: ist Schuld eher: die unbeabsichtigte Kränkung. Die Fäden meines Lebenssinns verknoten sich (Maria als Knotenlöserin, eine Statue ) oder enttäuschte Hoffnung. Entschuldung heißt: Aus der Verwicklung, den Anhaftungen zurückkehren in die Freiheit. Das ist eine ständige Übung: Dein Reich komme. Sich entwickeln. Vergebung in ursprünglichen Zustand. Umkehren. Die Bande/Bandagen/Fesseln lösen, mit denen wir uns gebunden haben. Zurückkehren zur ursprünglichen Schönheit. 7mal70 mal vergeben. Löse die Last, mache uns frei von heimlichen Missetaten der Vergangenheit. Die Nächsten entbinden von der Pflicht, die Verfehlungen auszugleichen.
UND FÜHRE UNS NICHT IN VERSUCHUNG; SONDERN ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN
Führe uns nicht in Versuchung – führt oft zur Irritation: Führt Gott in Versuchung? Ja, laut Genesis, dem 1. Buch Mose Kapitel 22 tat er das mit Abraham indem er ihn aufforderte, seinen Sohn zu opfern. (1. Mose 22 1-19 ) Und so wird die Stelle dann manchmal interpretiert: Gott, bitte, führe mich nicht in Versuchung, ich weiß nicht, ob ich es überstehen kann. Im Jakobusbrief steht jedoch: (Kapitel1: 13 )“Wenn ein Mensch in Versuchung gerät, soll er nicht sagen: »Gott hat mich in Versuchung geführt.« So wie Gott nicht zum Bösen verführt werden kann, so verführt er auch niemand dazu.“ Im Französischen, Spanischen und Chinesischen heißt es an der Stelle: Lass uns nicht in Versuchung geraten. Noch schöner finden wir die Übersetzung: Führe uns in der Versuchung. RabbinerInnen haben immer verschiedene Interpretationen und diskutieren. Gibt es da eine Wahrheit? Was berührt Dich/Sie bei welcher Übersetzung und welche Antwort kommt vom Herzen? weniger lesen
Andere Übersetzungen:
Lass uns weder durch die Oberfläche des Lebens verleitet werden noch so sehr introvertiert und selbstbezogen sein, dass wir nicht mehr zur richtigen Zeit einfach und menschlich handeln können.
Bewahre uns davor, falschen Reichtum zu horten, und vor der inneren Scham, Hilfe nicht zur rechten Zeit gegeben zu haben. Lass oberflächliche Dinge uns nicht irreführen, sondern befreie uns von dem, was uns zurückhält. (Nach Neil Douglas-Klotz, Das Vaterunser S.65)
Worin besteht die Versuchung? Was ist Versuchung? Auch Jesus wurde in Versuchung geführt.(u.a. Lukas 4,1-13) Jesus wurde auf drei Ebenen in Versuchung geführt – und der Teufel bediente sich der Bibel – er zitierte in der Geschichte Gottes Wort, um zu versuchen.
Die alten Wortwurzeln von „Nesjuna“ „nisyona“ meinen Versuchung, Vergesslichkeit, Materialismus – sie rufen das Bild einer im Wind wehenden Fahne hervor, die hin und her flattert, wie unser Verstand, wenn er sich verunsichern lässt: durch Materialismus, durch Emotionen, durch Machtgelüste. Ein Bild des sich Verlierens in den Erscheinungen, die Unfähigkeit, tiefer zu schauen, wenn es nötig ist. Das Gebet erinnert uns daran, unseren Ursprung in der Schöpfung und im göttlichen Atem nicht zu vergessen, uns aber nicht bei all dem zu „verschleißen“ was es zu tun gibt, uns nicht zu verlieren. Sich nicht in den Versuchungen zu verlieren – das Heilvolle, das an uns schon geschehen ist, nicht vergessen!! Richte Dich nicht nach der „Windfahne“, lass Dich nicht täuschen – weder von inneren noch von äußeren Kräften. Suche nicht am falschen Ort den Reichtum des Himmels. Führe uns in der Versuchung: Sich gewiss sein, dass dieses Weltliche immer an mir zehrt – und dass ich um Gottes Hilfe bitte, damit ich hindurchschauen kann. Weil ich auch weiß, dass ich das alleine nicht schaffe, dass ich Hilfe brauche in meinem Alltag, in all den Versuchungen, die es gibt. Es geht auch darum, der Versuchung zu widerstehen, alles das zu tun, was die anderen auch tun. Der Versuchung zu widerstehen, sich von anderen leben zu lassen. Dann würden wir unseren ureigensten Weg gehen und unser eigenes Leben leben. „Wir sollen nimmer ruhen bis wir werden, was wir in Gott ewiglich gewesen sind“ (M. Eckkehardt). Die Werbung trivialisiert die Versuchung, die Versuchung bezieht sich nicht auf eine Sahnetorte. Für die Wüstenväter und Mütter war es eine Erprobung des Menschen. Denn, so wussten sie: ein Sturm führt zu tieferen Wurzeln. Luthers Katechismus: Wenn wir auf ein Ding (nicht auf Gott, das kann auch eine Person sein) Zuflucht nehmen, sind wir der Versuchung zum Opfer gefallen. „Woran du dein Herz hängst, das ist Dein Gott“. Versuchung ist Kraft und Stärkung… Maß finden, dem Schatten begegnen. Auch Religion kann zur Versuchung werden. der Teufel zitiert die Bibel in der Versuchungsgeschichte Jesus (u.a. Lukas 4,1-13).
Sondern erlöse uns von dem Bösen: die Bitte bezieht sich auf allem „Bösen“ was mir wiederfährt, indem ich hineingerate, egal ob von anderen – oder von mir selber, in meinem Innern. Was ist das Böse? aramäisch: „Bischa“ = Böses, Unreife im Sinne einer unangemessenen Handlung. Diese Unreife bedeutet auch ein inneres Schamgefühl, keine richtigen Früchte zu bringen Wir sind nicht schneller/weiter als das schwächste Teil unserer Seele. Auch jener Teil erfüllt seinen Zweck in Gottes Universum. Unsere Verwundbarkeit kann uns mit der Erde verbinden. Das aramäische pasan bedetuet: trenne uns, befreie uns, erlöse uns. Getrennt werden von Situationen, bevor! Sie uns einfangen. Auf die Falle aufmerksam werden und aus ihr entrissen werden. Die Bitte kann auch bedeuten: Trenne uns von unseren Fehlern. Das Böse ist eine Dimension auch in uns, mit der wir rechnen müssen. Wir müssen die eigenen Begrenzungen erkennen, mit denen wir auch anderen Böses zufügen. Die Bande, die uns isolieren, durchtrennen. Wenn wir uns befreien lassen von Irrtum und Bösem, geschieht in uns die Gottesgeburt. Das Böse kann auch sein, dass wir manchmal auch durch unsere Ideale – uns in die Vergangenheit oder Zukunft versetzen und wir nicht in der Gegenwart sind, wo wir gebraucht werden und leben sollen.
DENN DEIN IST DAS REICH UND DIE KRAFT UND DIE HERRLICHKEIT
IN EWIGKEIT
Dieser doxologische (lobpreisende) Schluss ist nur im Matthäusevangelium vorhanden. Im Lukasevangelium fehlt er. Da auch andere jüdische Gebete mit Lobpreis enden (auch Psalmen), ist anzunehmen, dass zumindest etwas Ähnliches am Schluss zu vermuten sein muss.
Während der Sprachrhythmus sich im ganzen Gebet langsam steigert, kommt er in diesem Vers zur Ruhe, wie eine Welle, die ausläuft. Am Anfang ist das „Reich“ Teil der Bitte, jetzt ist es Realität. Die Urordnung der Welt soll sich verwirklichen, Freiheit, Frieden, Liebe, Einheit sollen auf mich überspringen.
Die angemessene Antwort Gott zu loben, ist Lobpreis.
Die alten Wortwurzeln von dilachie (=Dein) beinhaltet mehr als Besitz, sondern weist auf ein vegetatives Wortfeld hin: ein fruchtbares, reiches zum Aussäen oder Ernten bereites Feld.
Malkuta ist die göttliche Potentialität. Es ist zu erwähnen, dass Malkatu, also ein ganz ähnlicher Wortklang, Göttin heißt.
Haila bezieht sich auf die hervorbringende und erhaltende Lebenskraft oder Energie
In Teschbuchta – Herrlichkeit ist „Klang, Lied“ enthalten: ein göttlicher Klang ein Singen in der Harmonie, eine Feuerkraft.
L’ahlam almin (Ewigkeit) ist nicht statisch zu verstehen, sondern meint: von Zusammentreffen zum Zusammentreffen, von Zeitalter zu Zeitalter. Es liegt ein zyklisches Verständnis des Lebens zugrunde.
Zum Ende des Gebets erkennen wir die unerschöpfliche majestätische Quelle an, die wir „Abba“ nennen durften. Alles ist Dein, ich bin Dein.
Während die sichtbaren Reiche vergehen (Assur, Chaldäer, Römer, Osmanen, Spanien/Portugal, Commenwealth,…) bleibt die unsichtbare Quelle des unsichtbaren doch stets gegenwärtig.
Andere Übersetzungen:
Zu Dir kommt der allwirksame Wille, die lebendige Kraft zu handeln, das Lied, das alles verschönert und sich von Zeitallter zu Zeitalter erneuert.
Aus Dir kommt das erstaunliche Feuer, die herrliche Kraft der Neugeburt, die Licht und Klang in den Kosmos zurückbringt (Neil Douglas Klotz, Das Vaterunser, S. 70)
AMEN
Amen – wahrhaftig besiegelte einen Vertrag, eine Übereinkunft, ein Boden, auf dem in Zukunft etwas Besonderes wachsen wird. (Ament ist im Ägypt. Der geheimnisvolle Grund des Daseins). Alles wird gegenwärtig. Jetzt. So sei es. So ist es.
Andere Übersetzungen:
Ich bekräftige all dies mit meinem ganzen Sein. (Franz-Xaver Jans-Scheidegger)
Mögen sie der Boden sein, aus dem alle meine Handlungen erwachsen. Besiegelt im Vertrauen und Glauben. (Neil Douglas Klotz, das Vaterunser, S. 71)