Bibel und Sexualität

Bibel und Sexualität

“Das Christentum gab dem Eros Gift zu trinken.
Er starb zwar nicht daran, entartete aber zum Laster.”
Nietsche

Viel zu oft und zu lange wurde und wird Sexualität, gerade von der kirchlichen Institution als etwas Unheimliches, der Sünde nahes oder Lasterhaftes dargestellt. Dies bewirkt aber, dass ein heilsamer Umgang mit Sexualität nicht möglich ist.

Lust und Liebe wird von allen konservativen Teilen von Religionsgemeinschaften und Gesellschaften verdammt – nicht nur das Christentum gab dem Eros Gift zu trinken. Die Verdammung der körperlichen Liebe geht oft mit einer Diskriminierung der Frauen einher – wo die Keuschheit und Ehre der Frauen besonders betont wird, werden Frauen besonders häufig vergewaltigt, wird Ehebruch (komischerweise nur der von Frauen) besonders hart bestraft.
Und wenn körperliche Liebe abgelehnt wird wird auch Homosexualität häufig als pervers bezeichnet (Hier weitere Informationen).
Wenn Sexualität abgelehnt wird, kommt es m.E. in diesen Gruppen öfter zu Übergriffen gegen Schwächeren, wie z.B. sexueller Missbrauch.

Unseres Erachtens ist es eigentlich aber andersherum. Gott hat nicht die Sexualität verteufelt, das waren Menschen.

Gott hat uns doch mit Sexualität geschaffen? Um damit Freude zu haben. In der Geschichte von Adam und Eva hatten diese im Garten Eden ja keine Kinder – aber sie hatten doch Sex, oder? und wenn wenn ich die Bibel in der Mitte aufschlage, was lese ich dann?

SIE: Küssen soll er mich mit den Küssen seines Mundes. Ja!
Gut ist die Liebe – besser als Wein
ER: Schön bist Du ganz und gar, meine Freundin, kein Makel ist an Dir. Deine Lippen sind wie eine scharlachfargbene Schnur und dein Mund ist lieblich. Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitze, Zwillinge einer Gazelle, die unter Lotusblüten weiden.

Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine gewaltige Flamme. Viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen noch die Ströme sie ertränken. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, würde man ihn verspotten.

In der Mitte der Bibel lese ich das Hohelied der Liebe – einen Text, wo es um die Liebe zweier Menschen geht, die offensichtlich nicht verheiratet waren. Und die körperliche Liebe ist hier nicht Laster, sondern eine Blüte, ein Ausdruck der Lebendigkeit, eine Form der Liebe, die es sich zu besingen lohnt.

Wenn uns Gott für das Leben in dieser Welt uns unseren Körper und die Möglichkeit der Sexualität gegeben hat, sollen wir es dann nicht auch genießen dürfen – ist es nicht immens wichtig, einen heilsamen Umgang mit unserer gottgegebenen Sexualität zu lernen und zu leben?

Im Hohe Lied der Liebe ist es zu lesen: man spürt eine Freiheit und Freude, eine Begeisterung und einen innerlichen Tanz – eine Lebendigkeit, die nicht kontrolliert ist. Maria de Cazalle, eine spanische Mystikerin des 15. Jahrhunderts schreibt, dass sie beim Geschlechtsakt die Gotteinung gespürt habe. Das war der katholischen Kirche ein Dorn imAuge: Der Ehestand, nein, der Geschlechtsakt als möglicher “Weg der Vollkommenheit” – das durfte und konnte nicht sein. Sie wurde erheblich angefeindet, sie hat jedoch etwas Selbstverständliches beschrieben: Die Kraft und auch die mögliche Spirituelle Erfahrung, die in der Sexualität liegt.

Liebe und Leidenschaft sind spirituelle Quellen. Die Liebe Gottes läßt sich auch in der Sexualität erfahren. In der Hingabe zu mir, zur anderen / zum anderen kann ich auch Gott nah sein.

Weil Sexualität häufig Gift zu trinken bekommen hat, ist es wesentlich, dass wir uns ihr behutsam nähern. Wichtig ist, dass sie heilsam gelebt wird, zwischen zwei gleichberechtigten Menschen. Nicht erzwingen, sondern zärtlich handeln, ein Nein respektieren, damit das Ja gelebt werden kann.

Heilsame Sexualität kann gelebt werden zwischen gleichberechtigen Menschen auf Augenhöhe – zwischen Mann und Frau, Frau und Frau, Mann und Mann, Transgender und Mensch – naja, und natürlich mit sich selbst.

Sexualität mit Spiritualität zu verbinden, miteinander zu versöhnen das kann spannend sein.

Pierre Stutz zeigt mögliche Wege in seinem Buch: Deine Küsse verzaubern mich – Liebe und Leidenschaft als spirituelle Quellen.

Auszug aus:

Die dunkle Nacht der Seele

In Nacht an Sternen bloß,
von Liebesdrang gluhend ¨ zum Ziel gerichtet –
o wunderseliges Los! –
entging ich ungesichtet,
mein Haus in Stille lassend, tiefbeschwichtet.

Tief in des Dunkels Schoß,
verborgene Stufen langs, ¨ vermummt, umdichtet –
o wunderseliges Los! –
nachts, jedem Blick vernichtet,
mein Haus in Stille lassend, tiefbeschwichtet!

Geheim, in Zauberringen
der Dunkelheit, wo mich kein Blick erkannte,
wo ich nichts sah von Dingen
und nichts mir Strahlen sandte
als jenes Leitlicht, das im Herzen brannte!

Das lenkte mich, das brachte
mich besser als der Tag, der grell durchblaute,
zum Ziel, wo meiner harrte
er, der zutiefst Vertraute –
zum Ziel, wo ich nichts Scheinbares erschaute.

O Nacht, du holdgesinnte,
o Nacht, die holder als das Frührot wachte:
o Nacht, die mich Geminnte
zu dem Geminnten brachte,
die mich Geminnte*zum Geminnten machte!

(1579) Johannes von Kreuz, Mystiker, Kameliter

*Minne mittelhochdeutsch für Liebe (vgl. Minnegesang)