Abwûn d’bwaschmaâja – aramäisches VATER-MUTTER UNSER
Das Vater unser einmal anders “angefasst” – viele Christen und auch wir beten es seit Jahren, es ist das verbindenste und bekannteste Gebet der Christenheit. Aber viele haben nur wenig Bezug dazu – hier wollen wir uns dem annähern:
Das aramäische VaterMutterunser ist eine Rückübsetzung vom griechischen Vaterunser (wie es in der Bibel überliefert ist) ins Aramäische, die Sprache, die Jesus gesprochen hat. Zur Hilfe wurde die Peschitta – die aramäisch-syrische Bibel genommen. Dann ist dieses Gebet wieder ins Englische bzw. ins Deutsche rückübersetzt wurde, indem der Sinn, die Bedeutung erfasst wurde. Es wurde quasi in die Worte “hineingespürt”.
Wieweit diese Übersetzung das ist, was Jesus wirklich gemeint hat? Hier können Sie mehr über den Kultur und Sprachraum des aramäischen erfahren. weiterlesen
Kultur- und Sprachraum der Entstehung und Überlieferung
- Jesus selbst hat aramäisch, ähnlich dem hebräischen gesprochen. Seine Sprachbilder, sein Denken war durch diesen Sprach- und Kulturraum geprägt. Z.B. kennt diese Sprache kein lineares Denken wie es uns vertraut ist. Es gibt keine Vergangenheits- oder Zukunftsform der Verben, der Zusammenhang entscheidet, wie es zu verstehen ist. Dafür gibt es aber eine sogenannte „Intensivform“ des Verbs, etwas wird mit Intensität betrieben. Schon allein das macht deutlich, dass das Lebensgefühl ein anderes war. Das wird sichtbar auch in der Schwierigkeit, den Gottesnamen in Exodus 3 (den Mose am brennenden Dornbusch erfährt) zu übersetzen: Ich bin da; oder: Ich bin, der ich da bin; ich werde sein, der ich bin; ich werde sein, der ich war; ich bin, der ich bin da; ….
- Zudem ist die orientalische Sprache sehr lautmalerisch und körperbezogen, äußere Geschehnisse werden ganzheitlich im Leib empfunden wahrgenommen, die Sprache ist poetisch, bildreich. Sie lebt davon, uneindeutig zu sein, und vieles zu meinen, und zu ermöglichen.
- Die Sprache lebte wenig über das geschriebene Wort, sondern durch Erzähltraditionen. Worte und Geschichten sollten (am Lagerfeuer, oder im jüdischen Lehrhaus) anrühren, berühren, Sinn vermitteln, eine Atmosphäre erzeugen. Wir kennen ja bis heute den Zauber orientalischer Erzählkunst.
Dazu kommt, dass das orientalische Wahrheitsverständnis bis heute! Ein anderes ist, als das westliche der griechisch/römischen Tradition, das von Vernunft und ratio geprägt ist. Orientalisch: Wahr ist die Schilderung, die mich hineinnimmt in die Erfahrung. So sagt man: 5 Juden, 7 Meinungen, und das war mitnichten ein Problem, sondern das, um was es geht, war irgendwie „dazwischen“. In den Versuchen der Konfliktbewältigung in Ex-Jugoslawien hat da ein großes Problem in der Verständigung gelegen. Im Koran bemüht man sich um ein wort-wörtliches Verständnis – bis heute ist das schwierig.
- Die ersten Christen aus dem aramäischen Sprachraum, gaben ihre befreienden Erfahrungen, das Evangelium (griechisch, wörtl. Gute Nachricht) mündlich in der semitischen Erzähltradition weiter, darunter waren Judenchristen und Heidenchristen. Palästina war damals römisch besetzt, aber es lebten auch viele Griechen dort, für beide war Schriftkommunikation bereits Kulturgut. Die Griechen schrieben das Neue Testament, in der Form, wie wir es kennen, in ihrer Sprache auf. Dieses wurde alsbald ins Latein übersetzt, was dann Kirchensprache der römischen Christen wurde. Beide Sprachen bilden ein ganz anderes Denken ab, viel vergeistigter, mit differenzierten Zeiten und viel präziserer Formulierung. Paulus selbst war ja römischer Staatsbürger und hat griechisch geschrieben. Der Erfahrungshorizont der Botschaft Jesu musste ebenso wie seine Sprachbilder in einen anderen Kulturhintergrund transferiert werden. Die semitisch formulierte und erlebte Botschaft wurde überformt durch das griechische und römische Denken. Zusätzlich prägten frühe Übersetzungsfehler ganze Jahrhunderte.
- Als beim Konzil von Nicäa Anfang des 4. Jhd. die Texte, die ins Neue Testament aufgenommen werden sollten, ausgewählt wurden, wurden die meisten (mündlichen) Überlieferungen in koptischer, syrischer, hebräischer und aramäischer Sprache nicht berücksichtigt. Kaiser Konstantin wünschte sich eine einheitliche, für alle geltende Glaubens-Regelung, die dem westlichen und römischen Denken entsprach, die anderen wurden ausgegrenz..
In den Kirchen des Nahen Ostens sind jedoch manche der alten aramäischen Überlieferungen bewahrt.
- Die Peschitta, die aramäische Bibel, die bis ins 4. Jh zurückreicht, und sich auf mündliche und alte aramäische schriftl. Überlieferungen stützt, hat laut ihrer eigenen Aussage den ursprünglicheren Erzählstrom bewahrt.
- Sprachforscher versuchen heute, die alten Erzählbilder wieder zugänglich zu machen, und zur Mehrdeutigkeit zurückzukehren, die in den Worten selbst impliziert ist. Sie versuchen den damals aufleuchtenden Wortfeldern auf die Spur zu kommen. Diese Forschungen sind aber in der deutschsprachigen Theologie noch nicht angekommen. Inzwischen kursieren verschiedene Versuche der Übersetzung. Aus den altaramäischen Texfassungen stammt der Text, der den „aramäischen Vater-unsern“ zugrundeliegt.
- Im Aramäischen gibt es für Gott sowohl das Wort Alaha= heilige Einheit, die nichts ausschließt, sowie Abwun= zeugend-gebärende immerwährende Schöpferkraft, männlich- weiblich-jenseits allem. Hebräisch heisst es auch in der Bibel: Abba, lieber Vater. Der alttestamentliche Gottesname ist – ebenfalls auf hebräisch JHWH. Dieser durfte nach dem Exil ca. 700 bis 539 v. Chr. nicht ausgesprochen werden und wurde unterschiedlich umschrieben: Der Name, Der Ewige, der Heilige, die Ewige, der Ort, Elohim, Adonaj, etc.
Alle anderen Gottesnamen bezeichnen nur Qualitäten Gottes, z.B. Herr der Heerscharen. Jesus hat das familiäre auf Vertrautheit im Umgang schließende Abba „Papa“ verwendet.
- Das aramäische Wort für Gebet heißt „eine Falle Stellen“ und damit etwas „einfangen“, wir könnten heute sagen: die richtige Frequenz suchen, um Gott zu „hören“, „sich ausrichten“. Es geht weniger ums reden, als darum in eine Beziehung zu gehen. also weniger reden, als ein in Beziehung kommen.
Wer Allgemeines zur Struktur des Vaterunsers im Matthäusevangelium erfahren möchte, lese hier weiter: weiterlesen
Allgemeines zur Struktur des Vaterunsers im Kontext bei Matthäus
Das Vater unser bildet im Matthäusevangelium die Mitte der sogenannten Bergpredigt.
Es ist eingerahmt von zwei Themen, mit denen es den Dreiklang jüdischer Frömmigkeit aufnimmt: Almosen geben = Mitgefühl haben, Beten, und Fasten = Freiheit bewahren von Abhängigkeiten.
Um das Vater unserbzw. diesen Themenblock herum sind die einzelnen Sätze des Gebets ausgeführt und angeordnet:
Geheiligt werde Dein Name – Seligpreisungen Mt 5,1-12
Dein Reich komme – Salz und Licht Mt 5,13-16
Dein Wille geschehe, wie im Himmel… – Antithesen Mt. 5,17- 48
Unser tägliches Brot … – Almosen geben – Beten – Fasten Mt 6
Vergib uns unsere Schuld wie auch… – Vom Richten Mt 7, 1-6
Und führe uns nicht in Versuchung sondern…-Warnung Mt 7, 7-23
Denn dein ist das Reich und die Kraft…. -Hausbau auf dem Fels Mt 7, 24-28
VATER UNSER IM HIMMEL weiterlesen
Vater unser im Himmel Vater und Mutter des Kosmos, Urgrund der Liebe. (F.X. Jans-Scheidegger) „O Du! Atmendes Leben in allem, Schöpfer(in) des schimmernden Klanges, der uns berührt. O Gebärer(in)! Vater-Mutter des Kosmos, alles, was sich bewegt, erschaffst Du im Licht. Du Strahlende(r): Du scheinst in uns und außerhalb von uns – sogar die Dunkelheit leuchtet, wenn wir uns erinnern“ ( Zitate nach Douglas-Klotz, S. 34) Abba – abwun Zeugend gebärende Liebeskraft kosmische Liebeskraft. Abba ist die Koseform und im alltäglichen Kontext eine liebevolle Anrede Abba, ist die Koseform in familiärem Kontext, = Papa. Es ist aber auch ein Wort, das ggf. auch zu anderen Familienangehörigen gesagt werden konnte. Es drückt eine große liebevolle Vertrautheit und Zugehörigkeit aus. Der Sprechende gehört zur Familie und gehört in alles, was diese Familie ausmacht. Die Anrede Gottes als Abba für uns bedeutet, dass alle Betenden in die Familie hineingenommen sind. Dass die Schöpferkraft so angeredet werden kann, transzendiert heilsam alle unsere Vater- oder Mutterbilder. In dieser Anrede stellt Jesus eine Beziehung her … Gott ist nicht der ferne, unnahbare, sondern wie ein liebevoller Vater, an dem ich mich vertrauensvoll wenden kann. im Himmel: das Bergende, aufleuchtende, schwingende, die Sphäre, das was aufleuchtet und aufsteigt. Auch ein heiliger Ort, der in uns ist aber nichts mit dem Profanen der Welt gemein hat.
Die Bitte: geheiligt werde Dein Name weiterlesen
Geheiligt werde Dein Name Bereite in uns den Raum des Herzens, dass wir Dein Licht und Deinen Klang in Frieden erfahren. (F.X. Jans-Scheidegger) „Hilf uns, einen heiligen Atemzug zu atmen, bei dem wir nur Dich fühlen – so erschaffen wir in uns einen Schrein, in Ganzheit. Im Frieden lebt der Name, ein eigener innerer Raum, ein Allerheiligstes, offen und Licht spendend für alle. Hilf uns loszulassen, den inneren Raum zu reinigen von geschäftiger Vergesslichkeit, damit der Name leben kann.“ ( Zitate nach Douglas-Klotz, S. 40) Der Name… so wurde das Wort für Gott , das nicht ausgesprochen werden durfte: JHWH oft genannt. Es stellt mich in eine Beziehung mit Gott: Welchen Name gebe ich ihm und gehe ich wertschätzend mit diesem Besonderen um. Das Heilige ist auch in unserem Verständnis noch etwas „ausgesondertes“, dem Alltag Enthobenes. So soll etwas freigemacht oder bereitet werden für die Anwesenheit Gottes im Menschen. Ein freier Raum für die Anwesenheit des Heiligen in einem selbst soll entstehen. Alle mantrischen Wege wurzeln in dieser Vorstellung. Welchen Namen habe ich für das Geheimnis? Gehe zu dem Raum in dir, der heilig ist. Wie heilige ich den Namen? Gott ist mein Geheimnis.
Die Bitte: Dein Reich komme weiterlesen
Dein Reich komme Deine Wirklichkeit offenbare sich. F.X.Jans-Scheidegger „Lass deinen Rat unser Leben regieren und unsere Absicht klären für die gemeinsame Schöpfung. Ersehne mit und durch uns die Herrschaft universaler Fruchtbarkeit auf Erden. Deine Herrschaft entsteht plötzlich, wenn unsere Arme sich ausbreiten, um die ganze Schöpfung zu umarmen.“ “ ( Zitate nach Douglas-Klotz, S. 45) In dem Wort für kommen steckt die Vorstellung von gegenseitigem Verlangen und Willen. Und das Wort für Reich beinhaltet eine Richtung, und eher Ratschlag, nicht Herrschaft. Also eher: die Schöpfung verwirkliche sich, Deine Wirklichkeit gestalte mich.
Wir laden Sie ein, sich diesem Gebet wieder anzunähern in dem wir uns auf die semitisch- aramäische Welt etwas einlassen. Und diese Übersetzung ist ein wunderschönes Gebet, was das Herz weit werden lässt und das traditionelle VaterUnser neu erfahren läßt.
Vater und Mutter des Kosmos, Urgrund der Liebe!
Bereite in uns den Raum des Herzens,
dass wir Dein Licht und Deinen Klang
in Frieden erfahren.
Deine Wirklichkeit offenbare sich.
Dein Verlangen: eine Himmel und Erde,
dass wir Deine Liebe in unserer entdecken.
Gib uns Tag um Tag,
was wir an Brot und Einsicht brauchen.
Löse die Fesseln unserer Fehler,
wie auch wir freigeben,
was uns an die Verstrickung und Schuld der anderen bindet.
Führe uns in der Versuchung.
Bewahre uns vor falschem Begehren,
und befreie uns von Irrtum und Bösem.
Denn Dein ist das Reich der Liebe und des Friedens,
die Fülle des Lebens und der Klang des Kosmos,
der alles erneuert von Weltzeit zu Weltzeit.
Ich bekräftige all dies mit meinem ganzen Sein.
Amen.
übersetzt von Franz-Xaver Jan-Scheidegger
Hier ein weiterer Link zum VATERMUTTERUNSER, übersetzt von Neil Douglas Klotz
Das aramäische Vatermutterunser zum Anhören:
Abwûn d’bwaschmâja – Das Vater unser auf aramäisch Übersetzung: Neil Douglas Klotz
Abwoon D’Bashmaya Ashana Neil Douglas Klotz
Und hier zum kaufen: www.lichthaus-musik.de/produkt/abwun-the-prayer-of-jesus/
Empfehlenswerte Literatur über das VATERUNSER – und über das aramäische Abwun:
- Rocco A Errico: Acht Einstimmungen auf Gott. Jesus und seine ursprüngliche Botschaft im aramäischen Vaterunser ISBN-13 : 978-3929345100 Herausgeber : Edition Synthese (1. Januar 2001)
- George Lamsa: Die Evangelien in aramäischer Sicht ISBN-13 : 978-3907119037
Herausgeber : Neuer Johannes Vlg; 6., Auflage 2017 - Neil Douglas-Klotz: Das Vaterunser, ISBN-13 : 978-3426873533 Herausgeber : Knaur MensSana TB; 9. Auflage 2007)
- Anselm Grün: Vaterunser, Herausgeber : Vier-Türme-Verlag; 1. Auflage 2018
- Luthers Kleiner Katechismus ISBN-13 : 978-3730604243 Herausgeber : Anaconda Verlag oder Internet
